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von Manuel Glüheisen


Einst – lang müsste es her sein –
da waren wir alle mal Kinder

Kinder in ihrer Unschuld, in ihrer ehrlichen Freude, in ihrer aller Deutlichkeit, als wahre Menschen, unbeeinflusst und rein!

„Wir waren alle mal jung!“
doch viele scheinen es vergessen zu haben
Gerade noch habe ich im Sandkasten
mit ihm gespielt
Wir mochten uns sehr
Gruppenarbeiten haben wir immer zusammen gemacht
Viel gestritten
Aber auch viel vertragen

Wir trennten uns, denn der Kindergarten geht auch zu Ende
Unfassbar!
Aber für immer Freunde!
Eine Freundschaft fürs Leben?
Unverfälscht…
Rein…

Doch ich sah ihn nie wieder
Andere Menschen lernte ich kennen
Jeden Morgen habe ich sie mit einem Lächeln begrüßt
Grüße kamen zurück!

Aufrichtig von mir gemeint…

Später ging ich spazieren.
Ich traf einige, die ich immer grüßte
In der Stadt.
„Hallo!“ rief ich auf mich aufmerksam machend
laut fröhlich den lieben Menschen entgegen,
doch das Nichts starrte mich an.

Keiner grüßte mich zurück!
Michael, der schon eine Aktentasche hatte
- er hatte wohl schon seinen Traumjob erreicht von dem er mir stets erzählte -
hatte mich gar nicht wahrgenommen.
Er starrte gedankenverloren in einen kleinen Lederbeutel in dem Geld zu erkennen war.
Ich glaube sie nennen es Portemonnaie
Aber ich kann kein Französisch und es interessierte mich auch nie.

Viele Menschen blickten sich verdutzt um
In ihrem Konsumrausch gestört
Unfassbar!
Naiver Mensch!
Seltsames Verhalten!

Und ich frage mich, ob mein Handeln untypisch
falsch
war.

Doch meine seelische Rettung naht
Ich sehe meinen Freund wieder!
Wir werden wieder was zusammen machen
Wie im Kindergarten.

Gerade hebe ich meine Hand für ein „Salute!“
Doch es war wohl eine optische Täuschung!
Er ist es! Aber wer ist er geworden?

Seine Augen sind nicht mehr so fröhlich
wie sonst!
Er hat einen starren Blick.
In ihm scheint kein Licht mehr
Das Nichts starrt mich an!
Er hat auch eine Aktentasche in der Hand
sieht fast aus wie Michael!

Alles verzerrt sich!
Aus dem strahlend blauen Himmel
mit lachender Sonne
wird schwarzer Himmel
lila bedrohlich auf mich zu kommend
Menschen werden unsichtbar
Gott gibt es nicht mehr
und er – der mir so vertraut ist und zu
dem ich nun flüchten möchte hat keine Augen mehr!
Er verwandelt sich…
Ein Monster steht vor mir
Ein Monster der Leere
Ein Nichts!
Das Grausamste, das vorstellbar ist!
Liebe wurde im Keim erstickt…
Ich bin alleine!
Und alles um mich herum löst sich auf…
Nur er – das vertraute Grauen bleibt
Und beseelt mich mit seinem Anblick
Bis ich nicht mehr atmen kann…
Seelischer Tod –
Kein Entrinnen –

Und ich wache auf! Ich stehe immer noch in der Stadt.
Alles ein Traum?

Der Himmel ist immer noch bewölkt,
wie nach einem Sturm!


Anmerkung des Autors


Menschen sind wandlungsfähig – nicht zwangsläufig ist diese Aussage positiv zu verstehen. Wenn man dieses Gedicht Satz für Satz liest, dann ist die Aussage wohl deutlich genug. Menschen können vertraut sein und wenn man einmal nicht hinguckt können sie sich in etwas Schreckliches verwandeln. Dieses Gedicht ist die Metapher für das Geschehen, wenn die fremden Stimmen besitz vom Menschen nehmen. Die grausame Vermutung, die die Quintessenz dieses Textes bildet ist, dass die fremden Stimmen ein Teil des Menschen sind.